20.3.16/James/Bitcoins

Am 20.3.16 fragte James

Siehst du Bitcoin als zukünftige Alternative zum Banken-System?

Hier die Antwort des Hofnarren:

Lieber James

Eine brauchbare, kurze Einführung zu Bitcoins findest Du unter folgendem Link:
www.weusecoins.com/de/.
Etwas ausführlicher erklären Bitcoins folgende Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bitcoin und
www.bitcoinnews.ch/

Unter <Bitcoins> verstehen wir eine digitale Währung, die beim ersten Hinsehen nichts mit den bestehenden, harten Währungen zu tun hat. Das Bankensystem wird ausgeschaltet, deren Gebüren fallen weg und Banken oder Staaten können die Transaktion auch nicht kontrollieren. Die Transaktion läuft direkt zwischen den Partnern, also <peer to peer>. Es ist eine Kommunikation unter Gleichgestellten.
Im bestehenden Schuldgeldsystem ist die Geldschöpfung Sache der Zentralbanken (in der Schweiz ist dies die Nationalbank). Obgleich in der Bundesverfassung (Art. 991) der Nationalbank das Monopol für die Geldschöpfung zugewiesen wird, schöpfen Geschäftsbanken über 90% des bestehenden Geldes als sogenanntes Buchgeld aus dem Nichts vgl Vollgeld.
Bei Bitcoins erfolgt die Geldschöpfung durch den <Mining-Prozess> und liegt damit in den Händen der Bitcoin-Gemeinschaft. Das tönt alles soweit sinnvoll und gut.
Ich kann aber auch Bitcoins durch Kauf erwerben gegen Euro, CHF, £, $ oder andere, harte Währungen (Bitcoins kaufen), wenn ich welche brauche, weil ein von mir ausgelesener Anbieter Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptiert, und ich nicht durch den aufwendigen <Mining-Prozess> gehen will. Damit unterliegen Bitcoins dem selben Irrtum wie fast alle "alternative" Währungen, die ich durch Kauf mit bestehendem Geld zuerst erwerben muss, wenn ich damit handeln will (z.Bsp. Chiemgauer).

Will ich mit Bitcoins meine Einkäufe bezahlen, kann ich nur einen Anbieter wählen, der im Internet, digital, präsent ist. Seine Produkte müssen über das Netz erwerbbar sein, und er muss Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptieren.
Damit sind wir auch bei den Nachteilen der Bitcoins. Denn bei genauem Hinschauen sind Bitcoins keine Alternative zum bestehenden Geld- oder Bankensystem.

1. Ich finde das Bitcoin-System ziemlich kompliziert, es erfordert ein gerüttelt Mass an Verständnis der digitalen Welt. Und es fusst auf der Bereitschaft, immer wieder das Computer-System aufzurüsten, um mit der beachtlichen Datenmenge fertig zu werden. Das Bitcoin-System ist sicher nichts für den Menschen von Nebenan, eher etwas für Spezialisten.

2. Bitcoins funktionieren nur in der digitalen Welt. Ohne Strom, ohne Computer, ohne Internet: keine Bitcoins.

3. Der Handel kann anonym, von Computer zu Computer, vorgenommen werden. Ich brauche den Namen meines "Geschäfts"partners" nicht zu kennen. Mein eigener Name muss auch nicht bekannt sein. Die persönliche Komponente mit all ihren Facetten braucht es im Bitcoinhandel nicht. Die Gefühlsdimension wird vernachlässigt. Gerade diese Dimension ist aber nicht nur im Tauschgeschäft wichtig. Menschlicher Kontakt 1:1, nicht in digitaler Übersetzung, macht uns glücklich. Es ist wichtig, dass wir bei Tauschen und Einkaufen wissen, wohin unser Geld geht und ob wir diesen Menschen und seine Art zu wirtschaften mit unserem Kauf fördern wollen oder eben nicht. Diese wesentliche Dimension des Einkaufens wird mit dem Handel mit Bitcoins überhaupt nicht unterstützt. Mir kommen die "Freunde" des Facebook in den Sinn, deren Existenz meist nur eine digitale ist.

4. Die taktile Dimension (Haptik) des Tauschens entfällt.
Da Bitcoins nur digital existieren, kann ich sie nicht anfassen.
Haptik kommt aus dem Griechischen und bezeichnet die Lehre vom Tastsinn.
Landläufig wird <Haptik> jedoch im Sinn von <haptischer Eindruck> verwendet: Dinge lösen beim Anfassen eine Empfindung aus. Da ich Bitcoins nicht anfassen kann, lösen sie auch keine Empfindungen aus, der Handel mit ihnen lässt mich kalt. Bitcoins bedienen die Sehnsucht nach realer Kommunikation und realen Produkten nicht. Ihre Gestaltung braucht keine haptischen Kriterien. Ihr Handel ist nicht gehirn- und gefühlsgerecht. Wie so Vieles in der digitalen Welt, trennen uns auch Bitcoins von unserer Gefühlswelt ab.

5. Ich habe mit Bitcoins eine begrenzte Auswahl, meist sind dies Computerspiele, Software oder Bücher.

6. Bitcoins ändern nichts am bestehenden Schuldgeldsystem, sie sind eine digitale, anonyme Variante. Durch die Anonymisierung der Geldgeschäfte nehmen Bitcoins dem bestehenden Geldsystem die letzten menschlichen Züge.
Ich finde Bitcoins eine unnatürliche Währung, sie halten uns in einem Universum des Mangels und führen nicht zur Fülle. Auch mit Bitcoins müssen wir zuerstetwas leisten, bevor wir etwas bekommen. Ein Ausweg aus dieser Problematik könnte ein Schenkgeld sein.

Wenn wir die Gedanken von Sivio Gesell zur Bodenreform ernst nehmen würden, wäre genügend Geld vorhanden, das - wie Gesell es vorschlägt - an Frauen und Kinder verschenkt werden könnte.
Oder wenn schon Geld aus dem Nichts geschöpft wir, könnte man dieses auch verschenken, stattes gegen Zinsen zu verleihen, z.Bsp. in Form eines Bedingungslosen Grundeinkommens.
Weitere Gedanken zur Thematik <Fülle, Mangel, Schenkgeld> finden sich im Aufsatz zum Schenkgeld auf der Webseite <Regiogeld>.

Aus all diesen Gründen sind Bitcoins keine echte Alternative zum bestehenden Bankensystem.

Herzlich, Hofnarr