20.6.16/Mathieu/Minimalistisch leben

Am 20.6. fragte Mathieu

Hallo, ich möchte gerne minimalistisch leben. Das heisst so wenig ausgaben wie nur möglich. Wie könnte ich da am besten anfangen? Ich schaue schon, das ich mir nichts mehr unnötiges kaufe. Hast Du vlt noch andere Tips?

Lieber Mathieu

Wir leben in einer "Kultur", in der wir gem. Werbung nur glücklich werden, wenn wir möglichst viel konsumieren. Unser Wirtschafts- und unser Geldsystem funktionieren nur, wenn wir konsumieren, je mehr desto besser. Unser persönliches Glück hat aber mit einem überbordenden Konsum überhaupt nichts zu tun. Wir definieren uns über das, was wir haben, also über materielle Werte und nicht über das, was wir sind, über seelische Werte. Mit unserem sinnlosen Konsum versuchen wir das grosse Loch in unserem Sein durch Haben aufzufüllen, ein Unterfangen, das nie glücken kann, sondern in Sucht und weiterem Konsum mündet.
Ich empfehle Dir das Buch von Erich Fromm "Haben oder Sein". Es ist zwar etwas in die Jahre gekommen, hat aber von seiner Aktualität nichts eingebüsst.
Oder ganz aktuell, schau Dir das Gespräch zwischen Robert Stein und Rüdiger Lenz an.

Entscheidend ist, dass Du etwas tust, das Dich nährt und erfüllt. Das kann ein Spaziergang in der Natur, selbst musizieren, malen, schreiben, selber kochen oder Gartenarbeit sein. Es geht immer nur um Dich, Du bist der Schöpfer Deiner Realität. Wenn Deine Arbeit nahe Deiner Berufung ist, hast Du es nicht mehr nötig, viel zu konsumieren, weil Dich Deine Arbeit erfüllt, und Du mit Konsum nicht mehr kompensieren musst. Du wirst vielleicht weniger Geld verdienen, aber Du brauchst auch viel weniger und bist trotzdem glücklich mit dem, was Du hast. Vielleicht wirst Du nicht mehr "dazu-gehören". Dein Freundeskreis wird sich verändern. Die Freunde, die Dich schätzen wegen dem, was Du bist und nicht wegen dem, was Du hast, werden bleiben. Generell gewinnst Du durch Deine neue Lebensweise an Lebensqualität, d.h. Du kannst wieder vermehrt die Dinge tun und lassen, die Dir persönlich wichtig sind und brauchst Dich immer weniger danach zu richten, was die andern in dieser Situation haben oder machen.

Für die nun folgenden Tipps gilt generell: mach das zuerst, was Dir am leichtesten fällt und mach mit dieser Entscheidung Erfahrungen.
Du wirst merken, dass es eine Herausforderung ist, sich täglich neu zu entscheiden, welchem Herrscher ich dienen will. Du wirst immer wieder gefragt und hast es zu verantworten, welche Hersteller und Produktionsketten Du unterstützen willst.
Bei der Arbeit an Deiner Antwort ist mir immer wieder das Zitat von Benjamin Franklin in den Sinn gekommen: "Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren."

- Ich habe schon vor Jahren alle Abos von Tageszeitungen, Radio und TV gekündigt und die entsprechenden Apparate verkauft oder verschenkt. Falls Dir das auch möglich ist, kündige alle Abos von Zeitschriften, TV und Radio. Nimm war, wie Deine Gedanken leichter und positiver werden, wenn Du Dich nicht täglich mit negativen "Informationen" fütterst. Falls Dir Zeitungen, dazu gehören auch Gratisblätter wie "20 Minuten" oder "Blick am Abend", in die Hände fallen, lies sie unter dem Blickwinkel, wie wir manipuliert werden.
- Informiere Dich mit alternativen Medien im Internet. Vorschläge findest Du hier.
- Benutze den ÖV.
- Trenne Dich von Deinem eigenen Auto. Bei Bedarf gibt es praktisch jeden Autotyp bei Mobility zu mieten.
- Kaufe nur die Kleider und Schuhe, die Du wirklich brauchst. Gute Kleider kannst Du ohne Probleme 10 Jahre tragen. Falls nötig, flick Deine Kleider. Kauf Bio-Qualität, sie trägt sich länger. Mach Dich modeunabhängig.
- Verzichte auf alle Kosmetika. Seife, ein biologisches Haarshampo, Rasierzeugs (Messer, Rasierschaum und Pinsel), Zahnpasta ohne Fluor, ein Sisalhandschuh oder eine Bürste und Wasser reichen völlig aus. An dieser Stelle empfehle ich Dir das Buch von Marion Schimmelpfennig "Giftcoctail Körperpflege".
- Verzichte auf Fleisch. Wir brauchen kein Fleisch zu essen, um uns mit Eiweiss zu versorgen. Muskelpackete wie Gorillas sind reine Vegetarier und scheinen nicht an Mangelernährung zu leiden. Viele Studien zeigen, dass wir uns mit Fleischkonsum viele gesundheitliche Probleme einhandeln. Am gesündesten leben Veganer. An dieser Stelle empfehle ich Dir das Buch von Rüdiger Dahlke "Peace Food".
- Kauf auf dem Wochenmarkt oder dort ein, wo Du die Produktionskette möglichst zurückverfolgen kannst. Ist Dir der Einkauf auf dem Wochenmarkt nicht möglich, kannst Du praktisch in jedem grösseren Ort Deine Einkäufe per Telefon oder Internet im Bio-Laden tätigen. Deine Ware wird Dir gegen kleines Entgelt nach Hause geliefert. Mit Deinem Einkaufskorb entscheidest Du jeden Tag, wohin Dein Geld fliesst. Auch hier lohnt sich Bio-Qualität, weil Du mit einem guten Gefühl satt wirst. Kaufe, was bei uns gereift ist, und lass im Dezember die Erdbeeren und im Mai die Trauben aus Südafrika im Gestell.
- Im Idealfall lege einen eigenen Garten an oder beteilige Dich an der Gemüseproduktion z. Bsp. mit einem Gemüseabo.
- Es ist erfüllend, sich seine eigene Nahrung selbst zu kochen.
- Arbeite möglichst dort, wo Du lebst. Beruf hat mit Berufung zu tun, wenn Du Deine Berufung lebst, bist Du glücklich, wenn Du nur jobst, um Geld zu verdienen, wirst Du auf die Dauer unglücklich.
- Kaufe kein Smartphone, benütze ein einfaches Handy oder gar keins. Stell Dein Handy immer wieder ab. Es ist ein Segen, nicht erreichbar zu sein. Das geht, ich habe es über 40 Jahre praktiziert und ich lebe gut damit.
- Geh viel zu Fuss oder fahr Velo und schau Dich um. Spüre und erlebe jeden Tag das Wetter.
- Für allen Plastik wird Erdöl benötigt. Reduziere Schritt für Schritt deinen Plastik- und damit Deinen Erdölkonsum. Verzichte auf unnötige Verpackungen.
- Meide Unterhaltung. Denk daran, der Sinn der Unterhaltung ist es, Dich unten zu halten. Lies lieber ein Sachbuch, einen Roman oder suche Dir Filme unter Links bei Hofnarr, die Dich stärken.

Herzlich, Hofnarr